Am Ried

BACKHAUS

Es war einmal...

Früher, als sich noch jeder sein eigenes Brot backte, gab es im Dorf Bellwald und in jedem Weiler ein Backhaus. Von ihnen ist nur jenes im Weiler Ried erhalten geblieben. Auch dieses kleine Häuschen am Ausgang des Dörfchens, unterhalb des Weges, der von Ried nach Eggen führt, zeigte schon bedenkliche Zerfallserscheinungen, als sich die Rieder gemeinsam in ihrer Freizeit daran machten, diesen Zeugen der Vergangenheit mit all den alten Gerätschaften und Einrichtungen wieder instand zustellen und der Nachwelt zu erhalten. Wie zu Urgrossvaters Zeiten kann hier heute noch Brot gebacken werden. Versetzen wir uns doch für einen Augenblick zurück in diese Zeit.

Draussen wirbelt der Sturm die Schneekristalle in wildem Tanz durcheinander. Im Backhaus umgibt uns aber sofort eine wohlige Wärme. Im Backofen, im vordem Raum auf der Westseite, verschlingen die Flammen knisternd das dürre Holz. Immer wieder wird die Kachel beiseite geschoben, um dem Feuer neue Nahrung in den Rachen zu werfen. Der hintere Raum wird durch einen Giltsteinofen erwärmt. Neben diesem Ofen steht der grosse Teigtrog (Müata), in dem der Sauerteig bereit liegt. Ein riesiger Teigballen wird nun aus dem Trog gehoben und auf den mit Mehl bestreuten Tisch (Leibbäich) gelegt, der den grossen Teil des Raumes einnimmt. Nachdem der Teig hier mehrmals durchgeknetet wurde, wird er zu Broten geformt. Inzwischen hat die Glut den steinernen Boden des Backofens und die ausgemauerte Kuppel, die sich über ihm wölbt, so sehr erhitzt, dass man mit dem Backen beginnen kann. Die noch nicht verbrannten Holzscheite werden mit dem Choleräche aus dem Ofen geholt und in den Giltsteinofen verschoben. Mit dem Wischer, einem angefeuchteten alten Tuch, wird der Ofen geeinigt. Eine runde, flache Holzschaufel schiebt sich durch die schmale Öffnung neben der Türe, die die beiden Räume miteinander verbindet. Ein Brotlaib wird auf diesen Teller gelegt, die Schaufel verschwindet im andern Raum und dann im Ofen, kommt ohne das Brot zurück, um den nächsten Laib abzuholen. Brot um Brot gelangt vom Tisch auf die glühenden Steine des Ofens. Der Ofen ist voll, die Kachel vorgeschoben, das gespannte Warten beginnt. Wie wird das Brot werden? Endlich ist es soweit. Mit der Holzkelle wird nun wieder ein Brot nach dem andern aus dem Ofen geholt. in den Regalen liegen die duftenden, braunen Brote, noch dampfend. Bald werden sie in den Speicher gebracht, um dem nächsten Bäcker Platz zu machen. Der Ofen wird nicht mehr erkalten, bis alle ihre Brotvorräte für die kommenden Wochen ergänzt haben.

So war's noch vor wenigen Jahrzehnten. Heute erinnert uns nur mehr das kleine Backhäuschen im Ried daran, dass man sein tägliches Brot eben nicht immer schnell im Laden um die Ecke einkaufen konnte.

Die Stiftung Altes Bellwald und freiwillige Helfer backen seit mehreren Jahren 2- bis 3-mal pro Jahr wieder Roggenbrot. Wer sich für den alten Brauch interessiert, ist herzlich eingeladen an einem Backtag teilzunehmen und sein eigenes Roggenbrot zu backen.

Die Geschichte

Noch um 1900 hatte man in Bellwald nur zweimal pro Jahr gebacken. Entsprechend der kinderreichen Familien von damals erheischte das jedes Mal 240 bis 250 Stück Roggenbrote. Mehrere Familien füllten dabei den Backofen mehrmals. Zur Zeit des Ersten Weltkrieges buk man bereits jedes Quartal, gegen 1930 dann sechsmal pro Jahr und seit 1940 sogar monatlich. Das Roggenbrot, das sich durch seine lange Haltbarkeit und einen hohen Nährwert auszeichnet, war ideal für die Ernährung der hart arbeitenden Bergbevölkerung.  Jeder Weiler von Bellwald besass ursprünglich ein Backhaus. Dieses lag meistens wegen der hohen Brandgefahr am Rande des Dorfes und in der Nähe eines offenen Gewässers. Mit der Restauration des Backhauses im Ried im Jahre 2002 rettete die Stiftung Altes Bellwald dieses letzte erhaltene Backhaus vor dem Zerfall.  Dieses wurde im Jahre 1780 erbaut und ist in eine Backstube und in eine dahinter liegende Mehlstube mit Teigtrog und Bäckertisch unterteilt. Die übrigen Backhäuser in den Weilern von Bellwald sind abgebrannt oder wurden wie im Dorf Bellwald abgerissen

Früher waren die Bellwalder ausschliesslich Selbstversorger. Kein fremdes Mehl wurde gekauft. Man brauchte nur Mehl aus dem in Bellwald gepflanzten Roggen, welches in den verschiedenen Mühlen am Bellwalder Berg mit Wasserkraft gemahlen wurde. In den zahllosen kleinen und grösseren Äckerlein pflanzte beinahe jede Familie nebst Roggen auch Weizen an. Dieser Weizen diente zur Gewinnung von Weissmehl über den Prozess des «Pidje», d.h. feinen Ausmahlens und Entfernens der Kleie, die dann als Grisch fürs Vieh zum Geleck verwendet wurde. Nebst allerlei Spezialitäten buk man aus diesem Weizenmehl für die ganze Fastenzeit «Chruchtele» (Fastenkuchen). Sehr selten kam es vor, dass die eine oder andere Familie auch ein paar Brote aus Weizenmehl gebacken hatte. Seit dem Zweiten Weltkrieg wurde fremdes Mehl gekauft. Man mischte es zum Backen mit einheimischen mit Roggenmehl. Ab 1960 wurde der Getreideanbau stark reduziert. Die Getreideäcker wurden in Wiesland umgewandelt. Heute wird in der ganzen Gemeinde kein Getreide mehr angepflanzt.

Beim Backen war die Reihenfolge streng geregelt und entsprach der Runde des Ziegenhirten, der in bestimmter Reihenfolge von Familie zu Familie zog. Nachdem der Weibel am Sonntag nach der Messe auf dem Dorfplatz im Auftrag des Gemeindevorstehers die Zeit des Backens verkündet hatte, musste der Bauer, der eben an der Reihe war, am Montagabend derselben Woche den Ofen vorheizen. Dies geschah vorzüglich mit Reisig. Früh am Dienstagmorgen verteilte er einen zweiten Bund fein gespaltener Holzscheite im Backofen und den Stubenofen und trug die Hebi ins Backhaus.

Seit 1954 blieb aber der Backofen von Bellwald kalt. Schon bald nach dem Zweiten Weltkrieg kauften sich mehrere Familien ihr Brot zum Teil im Konsum oder Laden. Die Zahl der Roggenäckerlein nahm rasch ab. Weizen wurde überhaupt nicht mehr angepflanzt. Das Roggenmehl verwendete man grösstenteils als Geleck für das Vieh.

Seit 1956 kauft sich jede Familie ihr Brot im Konsum oder im Laden. Im allgemeinen isst man Vollbrot, das die Leute zuerst ausnahmslos Weissbrot nannten. Roggenbrot kaufte man dann nur noch ab und zu als Leckerbissen für das Vieh. Heute weiss man auch ganz korrekt den Unterschied zwischen Vollbrot und Weissbrot zu machen, und einer Nostalgie-Welle gleich kommt jetzt auch das Roggenbrot wieder vermehrt zu Ehren.

Während das Backhaus im Dorf Bellwald verschwand, wurde jenes im Weiler Ried restauriert. Die Stiftung Altes Bellwald und freiwillige Helfer backen seit mehreren Jahren 2- bis 3-mal pro Jahr wieder Roggenbrot. Wer sich für den alten Brauch interessiert, ist herzlich eingeladen an einem Backtag mitzuhelfen und sein eigenes Roggenbrot zu backen.

 

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